All About Clubhouse

Ohne Ansehen der Person

Bild von Martin Niedermeier Martin Niedermeier 30. März 2021 9 Minuten Lesedauer
Nahaufnahme von einem blauen Auge einer rothaarigen Frau mit Sommersprossen.

Natürlich barrierefrei? Wie Clubhouse zum Idealnetzwerk der Blinden-Community werden kann

Er liefert bis zu 80 Prozent der Informationen über die Außenwelt und beschäftigt ein Viertel des Gehirns: Der Sehsinn ist das wohl wichtigste Sinnessystem des Menschen und das am intensivsten erforschte, und er ist derjenige, auf den die Digitalisierung wie auf keinen anderen setzt. Wir leben in einer Zeit voller Screens, Bild- und vor allem Bewegtbildcontent: Jeder deutsche Haushalt besitzt im Durchschnitt über drei Geräte mit Bildschirm. YouTube ist die zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Immer mehr Arbeiten werden auch oder ausschließlich an Screens ausgeführt. Kein Wunder also, dass sich sehbehinderte Menschen im digitalen Raum häufig benachteiligt fühlen.

„Es geht nicht an, dass es Glückssache ist, ob ich auf einer Internetseite zurechtkomme oder nicht“, sagt Klaus Hahn, der Präsident des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes. „Barrierefreiheit muss allgemeingültiger Standard werden.“

Barrierefreiheit auf Websiten – der Status Quo

Das Problem hierbei: Barrierefreiheit im Internet ist ein Thema, das von den meisten nicht behinderten Menschen häufig nicht wahrgenommen wird. Von großen Unternehmen wird sie leider immer noch zweitrangig behandelt. "Wenn ich eine große Firma darauf aufmerksam mache, dass ihre App oder Homepage nicht barrierefrei gestaltet wurde, werde ich als blinder Mensch dazu angehalten, Verständnis dafür aufzubringen. Man habe nicht die finanziellen Möglichkeiten, um Barrierefreiheit umzusetzen, heißt es dann meistens. Man werde die Anregung aber gern an die zuständige Stelle weiterleiten" sagt die blinde Sängerin und Hörfilm-Autorin Andrea Eberl.

Eine Pflicht, keine Kür

Barrierefreiheit sollte kein Goodie, sondern eine Selbstverständlichkeit sein, weil alle davon profitieren würden. Dabei greift auch nicht das Argument, dass auf barrierefreien Webseiten das Design zerstört werden würde.

Bei Clubhouse ist die Situation auf fast ideale Weise eine andere. Dort müssen keine Barrieren beseitigt werden, weil dieses Medium nicht optisch, sondern akustisch organisiert ist. Auf diesem Gebiet sind blinde und sehbehinderte Menschen sogar im Vorteil.

„Natürlich höre ich als Blinde genauer hin und kann aus einer Stimme mehr herauslesen, erläutert die blinde Kinderbuch-Autorin und Microsoft-Mitarbeiterin Franziska Sgoff. Neben dem besseren Zuhören ist auch der bewusstere Einsatz der eigenen Stimme ein wichtiger Punkt. Sgoff ist deshalb ein großer Fan der Clubhouse App geworden und freut sich über die Möglichkeit, im Clubhouse Gleichgesinnte zu treffen. Einige Kritikpunkte gibt es allerdings dennoch anzumerken:

Wie barrierefrei ist die Clubhouse App?

Es ist der Weg bis zum Gespräch beziehungsweise seine funktionale Umgebung, die barrierefrei gestaltet werden müssen. Dies gilt aktuell besonders für das Betreten und Verlassen der Bühne und die Erfassung der momentan sprechenden Person. Auch gibt es die Information, wer gemutet ist und wer spricht, gibt es erst beim individuellen “Anvisieren” und nicht als zentrale Information.

In der Tat gab es aus diesem und weiteren Gründen noch Ende 2020 Probleme und vernehmbare Kritik zum Thema Barrierefreiheit auf Clubhouse, nicht nur aus dem Bereich der Blindencommunity. „Fehlende Alternativtexte und eine komplizierte Navigation sind enorme Barrieren, die eine Nutzung unnötig erschweren“, bemängelt auch der Barrierefreiheitsblogger Martin Schienbein.

Doch auch der zweite Leitsinn muss bedacht sein, merkt die gehörlose Bloggerin Julia Probst an. Sie ist zwar begeistert von der Themenvielfalt auf Clubhouse, kritisiert aber mangelnde Untertitelung. Julia nennt ein bekanntes Gegenbeispiel: Twitter Spaces, die Audio-Plattform des bekannten Mikroblogging-Dienstes Twitter. Der sah sich bei der Einführung Beschwerden aus der weltweiten Gehörlosencommunity gegenüber und hat darum Live-Untertitel in Echtzeit eingeführt.

Nicht nur an der Android Version von Clubhouse wird gearbeitet

Wenige Seiten haben bei ihrem Launch so deutlich gemacht, ihren technischen Stand als Betaphase zu betrachten, wie es Clubhouse getan hat. So gibt es Stand April 2021 immer noch keine Android Version der Clubhouse App, was natürlich auch Blinde mit dieser Hardware noch ausschließt. Doch im Mai 2021 sollte sich das lösen – das ist der grob angekündigte Zeitpunkt für den Zugang zu Clubhouse für Android Nutzer. Zurück zum Thema Beta Version: Das Publikum ist dazu aufgerufen, Kommentare und Kritik zu äußern und beim Entwicklerteam einzureichen. Gerade die Blinden-Community bedient sich dieser Möglichkeit sehr aktiv.

„Ich habe vor drei Wochen Clubhouse zum ersten Mal besucht. Damals war die App so etwas wie ein unbestellter Acker. Ich erlebe jetzt jedoch, dass im Abstand von Tagen, teilweise sogar Stunden, Updates greifen, die es blinden Menschen einfacher machen, die App zu bedienen. Das kommt daher, dass Blinde sich direkt an die App-Entwickler wenden, Punkte nennen, die nicht funktionieren, und diese Punkte dann korrigiert werden. Das ist für mich gelebte Inklusion!“, so der blinde Online-Journalist Marko Schlichting.

Wir hoffen, dass Clubhouse auch bald für Android-User*innen zur Verfügung steht, damit auch sie eine Chance haben, die Vorteile von Clubhouse – möglichst barrierefrei – zu genießen.

Bild von Martin Niedermeier
Autor: Martin Niedermeier

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